IV Die Pyramide als Zeichen Licht – Raum – Nacht – Farbe

Licht

Das für die Licht-Raum-Skulptur verwendete geometrische Zeichen der vierseitigen Pyramide repräsentiert das zweite Element des WAHRZEICHENS REICHSTAG, das LICHT.

Licht und Finsternis gehören zu den Ur-Symbolen der Menschheit. In allen Schöpfungsmythen kommt dem Licht zentrale Bedeutung zu: Die Schöpfung beginnt mit der Erschaffung des Lichtes. Als Gegensatz zur Finsternis gilt Licht als Inbegriff aller Heilsgüter: Licht ist die Voraussetzung allen irdischen Lebens; Grundbedingung menschlicher Existenz.

Der Doppelcharakter des Lichtes als elektromagnetische Welle wie Strom von Teilchen steht als Bindeglied zwischen der stofflichen Basis des Wahrzeichens, dem Reichstagsgebäude, und der Spiritualität menschlicher Existenz. Denn die Licht – Raum – Skulptur richtet sich über die visuelle Erfahrbarkeit hinaus an den schöpferischen Geist des Menschen.

Das Licht des Lasers kommt in der Natur nicht vor. In einer vom Menschen erzeugten und gebändigten Qualität ist Laserlicht wie kein anderes Licht Kunst -Licht. Die aus den Lichtverstärkern austretende Strahlung ist sehr scharf gebündelt und monochromatisch, von sehr hohem Strahlungsfluß und großer Energiedichte.

Das gleichwellige, nur in eine Richtung fließende Laserlicht vermag weiteste Entfernungen zu durchmessen, weist jedoch nur eine bedingte Seitensichtbarkeit auf, welche von der Anzahl der Partikel in der Luft abhängt, die von den Lichtstrahlen getroffen werden.

Die Sichtbarkeit der Licht-Raum-Skulptur ist unmittelbar mit dem Zustand der Atmosphäre verbunden. Dadurch ist sie dynamisch und statisch zugleich. Trotz ihres eigentlich statischen, zielgerichteten Charakters und ihrer präzisen Linienführung lebt sie mit dem sie umgebenden Raum und dessen wechselnden Eigenschaften.

Raum

Raum und Zeit kommen im WAHRZEICHEN REICHSTAG besondere Bedeutung zu -, in zeit-räumlichem wie raum-zeitlichem Sinn. Die Transparenz des geometrischen Symbols sowie das zu seiner Erzeugung verwendete Licht und dessen Ausbreitungsgeschwindigkeit verweisen auf die räumlichen und zeitlichen Dimensionen des WAHRZEICHENS REICHSTAG.

Den ersten Raum bildet das Reichstagsgebäude selbst. Er ist ein materieller Raum und wird durch das Element Stein dargestellt. Dieser erste Raum ist das historische, das stoffliche Fundament des WAHRZEICHENS REICHSTAG. Als fortbestehende geschichtliche Materialisation ist das Reichstagsgebäude auch materielles Zeugnis der Vergangenheit, symbolisiert es ihre tatsächliche, ihre begreifbare Anwesenheit im Gegenwärtigen. Diese ist auch während des Tages sichtbar.

Über die Rückschau auf vergangene Zeiträume hinaus will das WAHRZEICHEN REICHSTAG den Blick jedoch auf neue, noch nicht materialisierte historische Räume lenken; diese werden durch die besonderen Eigenschaften des Lichtes wie auch des schwebenden Pyramidensymbols ausgedrückt.

Diese Räume des Wahrzeichens werden nur bei Dunkelheit sichtbar. Durch Lichtstrahlen werden optische Räume in den Himmel projiziert; das Element Licht bildet neue, über dem materiellen Raum des Reichstages schwebende immaterielle Räume.

Von den vier Ecktürmen aus bildet das Licht der Laser über dem Reichstagsgebäude zwei rechteckige, fast spiegelgleiche Pyramiden, die, bei senkrechter wie waagerechter Betrachtung, sich gegenseitig durchdringende Andreaskreuze mit gemeinsamem Mittelpunkt zeigen.

Die untere Pyramide stellt den zweiten Raum des Wahrzeichens dar und symbolisiert die gedankliche Gegenwart der Vergangenheit. Weder stofflich noch bei Tageslicht, sondern nur nachts sichtbar, bedeutet dieser Raum die geistige Gegenwärtigkeit des Vergangenen, welche hinter der materiellen Wirklichkeit steht und durch sie hindurch wirkt.

Die Basispyramide schwebt leicht abgehoben über dem Gebäude. Aus dem Kreuzungspunkt aller vier in den Himmel gerichteten Laserstrahlen entsteht spiegelbildlich eine zweite, auf dem Kopf stehende Pyramide, deren Basis im Unendlichen liegt. Als konstruktive Gegenprojektion bildet sie den dritten Raum.

Der beiden Pyramiden gemeinsame Scheitelpunkt steht für den Zielpunkt, von dem aus eine qualitativ neue Zukunft beginnt.

Der dritte Raum ist der Raum schöpferischer Kräfte und gedanklicher Freiheit sowie der vorausschauenden Weisheit. Er ist ein offener Raum und bildet den Übergang zum vierten Raum, zum endlosen Raum des Nachthimmels und des Kosmos. Dieser entzieht sich jedem bleibenden gestalterischen Zugriff durch den Menschen. Er ist der Raum menschlicher Endlichkeit und Vergänglichkeit. Seine Dunkelheit symbolisiert sowohl die Grenzen menschlichen Wissens als auch die Offenheit der Zukunft; diese ist zugleich Voraussetzung wie Ziel der Hoffnung.

Konkret nimmt diese leichteste Pyramide der Welt Bezug auf das größte und schwerste Bauwerk der Menschheit, die Cheopspyramide: das älteste und letzte noch erhaltene der sieben Weltwunder der Antike.

Der Winkel, in dem die Seitenflächen dieser großen Pyramide von Gizeh geneigt sind, findet sich auch in der nördlichen und südlichen Seitenfläche der Lichtpyramide wieder – ihre West- und Ostansicht entspricht somit den besonderen Proportionen dieses vollendetsten aller Pyramidenbauwerke. Die Neigungswinkel ergeben sich aus dem besonderen Größenverhältnis der Höhe der Seitendreiecke zur halben westlichen und östlichen Grundlinie im Goldenen Schnitt. Dieser gilt als Ideal harmonischer Proportionen in der Schöpfung.

Wie sich die Proportionen des Goldenen Schnitts im Kristall unbelebter Natur ebenso finden wie bei Pflanzen, Tieren und dem menschlichen Körper, so ist er auch Ideal künstlerischer Darstellung. Der Goldene Schnitt symbolisiert die Schönheit, die Harmonie der Welt. Im WAHRZEICHEN REICHSTAG findet er sich im Verhältnis des ersten und des zweiten Raumes zueinander und weist auf eine neue Harmonie der Welt im freien und friedlichen Miteinander der Menschen, Völker und Staaten.

Nacht

Die Licht-Raum-Skulptur des WAHRZEICHENS REICHSTAG ist nur nachts zu sehen. Der Nachthimmel ist Teil der Skulptur. Nacht und Dunkelheit bilden ihre Voraussetzung, ihren Raum und Hintergrund sowie – im übertragenen Sinne – auch ihren Anlaß:

Die dunkelsten Stunden der Geschichte des Reichstags haben die Welt dramatisch verändert, das Reichstagsgebäude selbst zur Ruine gemacht, und es – wiederaufgebaut und seines ursprünglichen Zweckes beraubt – in die unmittelbare Nähe der deutschen Mauer gerückt, bis zum November 1989 Symbol der kriegsbedingten Teilung Deutschlands und Europas nach 1945. Das WAHRZEICHEN REICHSTAG erinnert an diese tragischen Kapitel deutscher Geschichte.

Das Licht der Laser erinnert an den nächtlichen Reichstagsbrand im Februar 1933, Fanal des blutigen Endes der ersten parlamentarischen Demokratie Deutschlands.

Das Licht der Laser erinnert auch an die bombastischen Lichtdome der folgenden zwölfjährigen nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Diese von Flak-Scheinwerfern an den Nachthimmel projizierten Lichtkegel sind noch heute als gigantomanisch-drohende Vorboten der späteren Feuersbrünste im Bewußtsein des Volkes verhaftet.

Das kühle Licht der Laser steht in distanziertem, geordnetem Gegensatz zur Urgewalt des durch Menschenhand entfachten Feuers im und über dem Reichstagsgebäude sowie zu den Feuerstürmen über Berlin und – über gleichsam allen Städten, die in Kriegen brannten. Das WAHRZEICHEN REICHSTAG will auch diesen Teil der Geschichte im Bewußtsein des deutschen Volkes wachhalten.

Das Lichtsymbol eines Grabmals der Könige gedenkt aller Opfer von Unrecht und Gewalt; von Verfolgung und Krieg; von Brudermord und Völkermord; von Vertreibung, Diktatur und Teilung.

Farbe

Über aller Erinnerung an die Vergangenheit symbolisiert das Licht des WAHRZEICHENS REICHSTAG jedoch das Leben, die Kraft und die Freiheit demokratischer Ideale.

Das konzentrierte Laserlicht des Mahnmals will die Sinne schärfen. Sein grünes Licht trifft das menschliche Auge im Bereich seiner größten sinnlichen Erregbarkeit und farblichen Unterscheidungsfähigkeit. #

Grün ist die Mitte der Farben. Zwischen Rot, Orange, Gelb einerseits und Blau, Indigo, Violett andererseits steht Grün im Zentrum der sieben Farben des Regenbogens. Im hörbaren Bereich entspricht der Farbe Grün der Erdenton CIS. Dieser stellt den zentralen Anknüpfungspunkt für die klanglichen und musikalischen Dimensionen des Wahrzeichens dar.

Den Farben werden – jenseits ihrer physikalischen Eigenschaften – in allen Kulturkreisen auch symbolhafte, die sinnliche Wahrnehmung übersteigende Bedeutungen zugeordnet:

Gilt die Farbe Grün im Orient als Farbe des Propheten und paradiesischer Verheißung, so steht sie in der christlichen Ikonographie für Beschaulichkeit und Auferstehungserwartung, ist sie Symbol für Versöhnung und Barmherzigkeit und – farbiges Zeichen eines neuen Himmels und einer neuen Erde.

Grün ist die Farbe des Frühlings, der sprießenden Vegetation und des Gedeihens, der Erneuerung und der Hoffnung. In sehr direktem Sinne symbolisiert Grün Frische, Wachstum und Leben; so ist Grün auch Symbol für das Urmütterliche, Hegende und Sichernde: ein Symbol für künftiges Leben. Grün ist die Farbe der Schöpfung.

Das WAHRZEICHEN REICHSTAG mahnt zur Bewahrung der Schöpfung auf unserem Planeten.