Berlin, Kommode

FOYER MIT BLACK-BOX, 1999/2000

Ausstellung Kommode, Berlin
16. September 1999 – 31. Januar 2000

Historischer Ausstellungsort
Einen gleichermaßen geeigneten wie historisch passenden Ausstellungsort stellt die Humboldt-Universität zu Berlin (HU) zur Verfügung: Das sich über zwei Etagen erstreckende riesige Foyer in der Alten Bibliothek an der Westseite des Bebel-Platzes.

Alte Bibliothek („KOMMODE“) Bebelplatz

Wegen seiner konkav geschwungenen hochbarocken Fassade inmitten klassizistischer Umgebung erhielt das imposante Bauwerk die volkstümliche Bezeichnung „Kommode“.

Ausstellung Kommode,
Innenansicht mit „Black Box“

1:100-Modell von Nord / Ost

„Das Wahrzeichen Reichstag
ist ein Zeichen für Einigkeit und
Recht und Freiheit.“

KAP. I DENKSCHRIFT

EINIGKEIT—RECHT—FREIHEIT, Neon-Triptychon am Portikus des Alten Palais (Palais Kaiser Wilhelm I)

Das 1:100-Modell des Wahrzeichen Reichstag ist in einer vier Meter hohen „Black Box“ von allen Seiten zu betrachten.

Zu hören sind von Lothar Voigtländer der Sonnenton „H“ und „Lichtklang II“, von Wilhelm Dieter Siebert die historisch-musikalische Meditation über das Lied der Deutschen „D-Tonation“ und von György Ligeti „Lontano“.

An den Außenflächen der „Black Box“ und zusätzlichen Stellwänden werden Informationen und in Vitrinen weitere künstlerische Arbeiten zum Projekt gezeigt.

Der Zugang zur Ausstellung erfolgt aufgrund von Restaurierungsarbeiten an der Kommoden-Fassade durch das direkt anschließende und baulich verbundene Alte Palais, Unter den Linden 9, Ecke Bebel-Platz. Beide Gebäude beherbergen heute die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität.

Erbaut wurde das Alte Palais 1834–1837 nach Plänen von Carl Ferdinand Langhans als Stadtpalais für den damaligen preußischen Prinzen und späteren Deutschen Kaiser Wilhelm I. Wegen dessen unrühmlicher Rolle bei der Niederschlagung der ersten demokratischen Revolution von 1848 erhielt er den Beinamen „Kartätschenprinz“.

Die Geschichte der Bauwerke und des historischen Ortes legen es nahe, die erste öffentliche Präsentation des Wahrzeichen Reichstag in Berlin auf seine erste Hauptsinngebung zu akzentuieren, auf die zentralen Werte der deutschen Demokratiebewegung: Einigkeit, Recht und Freiheit.

W. H. Fischers Neon-Triptychon Einigkeit—Recht—Freiheit am Portikus des Alten Palais zitiert die Forderungen nach Einigkeit, Recht und Freiheit der Demokratiebewegung von 1848.


ERÖFFNUNG

Eröffnung

Am 16. September 1999 wird die Ausstellung mit dem neuen 1:100-Modell des Wahrzeichen Reichstag mit Ansprachen, Musik und Feuerwerk festlich eröffnet.

Es sprechen Prof. Dr. Hans Meyer, Präsident der Humboldt- Universität, Siegrun Klemmer, MdB (SPD) als Vorstandsmitglied des Wahrzeichen Reichstag eV, Dr.-Ing. Joachim Schmiele vom Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) und W. H. Fischer.

„Die Idee der Reichstags-Verhüllung war ja lange Zeit politisch äußerst umstritten, weil ein Teil des Parlaments sagte, es sei eine Missachtung der Würde des Parlaments. Was sich herausgestellt hat, war, dass es eine Hochachtung des Gebäudes und der Würde des Parlaments war, und man kann den Parlamentariern nur zureden, dass sie mehr Mut haben, sich mit der Kunst einzulassen und dazu, dass dieses Projekt nicht nur im Modell ausprobiert wird, sondern im Verhältnis 1:1. Ich wünsche Ihnen, dass das gelingt.“

PROF. DR. HANS MEYER
Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin

„Im Laufe der Jahre haben wir auch außerhalb der Politik mehr und mehr Zustimmung erfahren. Die politische Prominenz aller parteilichen Richtungen – worauf wir ganz besonderen Wert legen – hat sich durchweg positiv geäußert.“

SIEGRUN KLEMMER, MDB
Vorstand Wahrzeichen Reichstag e.V.

„Mit der Lichtpyramide wird der politische Mittelpunkt Deutschlands in einer Art und Weise hervorgehoben, wie es einer Demokratie guttut.“

DR.-ING. JOACHIM SCHMIELE,
Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI)

Prof. Dr. Hans Mayer, Humboldt-Universität
Siegrun Klemmer, MdB, WZR eV
Dr. Hans-Joachim Schmiele, VBKI
Wolfgang Heinrich Fischer

URAUFFÜHRUNG

Uraufführung

Musikalischer Höhepunkt der Ausstellungseröffnung ist die Uraufführung der von Wilhelm Dieter Siebert für die Ausstellung und das Wahrzeichen Reichstag komponierten

Vivat der Pyramide!
FESTLICHE FANFARE FÜR BLÄSER
UND SCHLAGWERK

durch zehn Musiker der Deutschen Oper Berlin. Aufgeteilt in drei Bläsergruppen und einen Schlagzeuger, bieten diese, auf drei Ebenen des Foyers verteilt, ein fulminantes Raum-Klang-Erlebnis.


Musiker der Deutschen Oper Berlin

Wilhelm Dieter Siebert
VIVAT DER PYRAMIDE!
Partitur S. 1 und 2


1:100-Modell von Süd / West, Kommode, Berlin 1999

PODIUMSGESPRÄCH November 1999

Konzerte und Podiumsgespräche
ergänzen die Ausstellung

Konzert und Podiumsgespräch
Licht—Klang—Raum

Licht—Klang—Raum ist das Thema der Veranstaltung am 5. November 1999.

Wilhelm Dieter Siebert führt in seine Komposition
„D-Tonation, Historisch-musikalische Meditation über das Lied der Deutschen“ ein (UA 1992 zur Ausstellung in Kassel) und Prof. Lothar Voigtländer in seine Komposition „Lichtklang II für das Projekt Wahrzeichen Reichstag“, die als elektro-akustische Musik-Performance mit Lichteffekten uraufgeführt wird.

Auf dem Podium diskutieren Dr. Ulrike Liedtke (Direktorin der Bundesmusikakademie Rheinsberg, Gesprächsleitung), Wilhelm Dieter Siebert, Hans Cousto (Mathematiker und Musikwissenschaftler), Dr. Christoph Metzger (Musikhistoriker) und Prof. Lothar Voigtländer.

Podium 5. November 1999
Wilhelm Dieter Siebert, Hans Cousto,
Dr. Ulrike Liedke, Dr. Christoph Metzger,
Prof. Lothar Voigtländer (v.l.n.r.)

D-Tonation

Historisch-musikalische Meditation
über das Lied der Deutschen (1992)

Im Kontrapunkt zu der vierseitigen Pyramide des Wahrzeichen Reichstag besteht diese Komposition aus drei Teilen:

1. Kaiserreich und Erste Republik, Es-Dur
2. Drittes Reich, Des-Dur
3. Berlin, BRD und DDR, Wiedervereinigung, F-Dur

Man hört Klänge der Erinnerung an Hohenzollern, Roaring Twenties, Naziterror, Krieg, Geteiltes Deutschland, Vereinigung.
Orchester und Tonbandarbeiten unter der Leitung des Komponisten.
UA Kassel 1992, Dauer 21 Minuten.

Wilhelm Dieter Siebert


Lichklang II

Die Laser-Projektion von Wolfgang Heinrich Fischer stellt eine in sich ruhende, beständig „lichtfließende“ Klanginstallation dar. Erst die atmosphärischen Elemente (Wolken, Nebel, Regen, Schnee) werden ein ständiges Changieren, eine ständige Metamorphose und das Herausbilden von langsam und gleitend variierten Sinneseindrücken bringen. So „verbot“ sich in der Musik eine tradierte „Entwicklungsform“.

Analog der „Lichtskulptur“ sollte eine „Klangskulptur“ entstehen, die ebenfalls aus einigen wenigen Tonmaterialien eine große Vielfalt der Metamorphose in langsam fortschreitenden, ruhig gleitenden variativen Prozessen ermöglicht.

Lothar Voigtländer
Realisationsskizze zu Lichtklang II

Wolfgang Heinrich Fischer bezieht sich in seiner Projektidee auch auf das Buch von Hans Cousto „Die Oktave, das Urgesetz der Harmonie“. Dies war Anlass genug, die der Laserstrahlung zu grunde liegende Frequenz (den Sonnenton „H“) als Basisklang, gewissermaßen als Orgelpunkt und als Maß aller Dinge auszuformen. Cousto beschreibt neben anderen Parametern noch die Bedeutung der Töne „G“ (Frequenz eines Erdentages), „Gis“ (Frequenz der Mondschwingung) und Cis (Der „Erdenton“ – Frequenz eines Umlaufs der Erde um die Sonne).

Neben der Grundkonstellation dieses „Vierklangs“ war es natürlich reizvoll, eine fast unmerkliche und sukzessive Modulation durchzuführen, in deren Verlauf diese 4 Töne dreimal übereinander geschichtet, auf alle 12 Töne – also auf den „Kosmos unseres Tonsystems“ – erweitert werden. Darüber hinaus spielen die „Harmonischen“ – also die Teiltöne – und insbesondere die „Formanten“ in dieser Tonreihe während des langsam gleitenden, varia- tiven musikalischen Prozesses eine entscheidende Rolle.

„Die Griechen glaubten, die Sonne auf
ihrer Fahrt über den Himmel riebe sich
an ihrer Bahn und erzeuge so einen
Ton, der unaufhörlich und ewig
gleichbleibend und deshalb für unser
Ohr nicht vernehmbar sei. Wie viele
solcher Laute leben um uns?“

AUS: „TRÄUME“ VON GÜNTER EICH
LOTHAR VOIGTLÄNDER


PODIUMSGESPRÄCH Januar 2000

Konzert und Podiumsgespräch

„Wahrzeichen Reichstag –
Ein Beitrag zur kulturellen
Identität in Deutschland?“

Mit einem weiteren Podiumsgespräch und Konzert am
31. Januar 2000 endet die Ausstellung.

Zum Thema „Wahrzeichen Reichstag – ein Beitrag zur kulturellen Identität in Deutschland?“ erörtern Vertreter aus Wissenschaft und Medien die Rolle des Reichstags als Ort politischen Gedächtnisses und gesellschaftlicher Gestaltung:
Knut Helms (Kunsthistoriker, Deutsches Forum für Kunstgeschichte, Paris), Michael S. Cullen (Architekturhistoriker und Reichstag-Spezialist, Berlin), Dr. Michael Mönninger (Leitender Redakteur der Berliner Zeitung, Gesprächsleitung), Prof. Dr. Volker Gerhardt (Philosoph, Friedensforscher, Humboldt-Universität zu Berlin).


Knut Helms,
Michael S. Cullen,
Dr. Michael Mönninger,
(v.l.n.r.)


Wolfgang Heinrich Fischer,
Prof. Dr. Volker Gerhardt,
(v.l.n.r.)

Zum festlichen Abschluss der Ausstellung führen zehn Musiker der Deutschen Oper Berlin noch einmal die festliche FanfareVivat der Pyramide von
Wilhelm Dieter Siebert auf.Wie das Gästebuch der Ausstellung belegt, findet das Werk bei den 25.000 internationalen Besuchern begeisterte Zustimmung.

Knut Helms, Michael S. Cullen, Dr. Michael Mönninger,
Wolfgang Heinrich Fischer, Prof. Dr. Volker Gerhardt
(v.l.n.r.)


NEON-TRIPTYCHON


Reiterstandbild Friedrich des Großen von Christian Daniel Rauch
mit W. H. Fischers Neon-Triptychon EINIGKEIT—RECHT—FREIHEIT
am Portikus des Alten Palais, Unter den Linden, 2001

arte, Metropolis, Webseite 16. Dezember 2000

Friedrich der Grosse
und Einigkeit-Recht-Freiheit

Das Neon-Triptychon Einigkeit—Recht—Freiheit am Portikus des Alten Palais löst im Herbst 2000 eine heftige Intervention der Denkmalschützer von Berlin-Mitte gegen die Humboldt- Universität aus. Die Behörde verfügt eine Entfernung des kleinen Neon-Objektes mit der Begründung, dieses lasse das gesamte historische Ensemble in den Hintergrund treten!

Der Grund dieser maßlosen Übertreibung: Das jahrzehntelang zu DDR-Zeiten nach Sanssouci ausgelagerte Reiterstandbild Friedrich des Großen soll nach langer Restaurierung wieder an seinem ursprünglichen Platz gegenüber dem Alten Palais, Unter den Linden, aufgestellt werden. Da stören Einigkeit und Recht und Freiheit.

Dies bewirkt ein lebhaftes Interesse der Medien: Ergebnis sind ein TV-Essay von Christhard Läpple zu „einer Realsatire mitten aus der Hauptstadt“ mit dem Titel: „Deutsche L/Reitkultur … oder Die Rückkehr von Ross und Reiter und die Folgen für Recht und Freiheit“ (aspekte, ZDF und Metropolis, ARTE) sowie ein Live-Interview mit W. H. Fischer am Ort des Anstoßes (ARD/ZDF, 1/2001).

Bürgermeister Achim Zeller (CDU) von Berlin-Mitte hebt schließlich die Verfügung der Denkmalschutzbehörde auf und genehmigt den Verbleib von Einigkeit—Recht—Freiheit am Alten Palais. Ende April 2002 wird das Neon-Triptychon am Alten Palais wegen Fassadenrenovierung abgenommen. Seitdem warten Einigkeit—Recht—Freiheit darauf, wieder am Sitz der juristischen Fakultät der Humboldt Universität zu leuchten.